Reisebericht Wolgograd vom 27. September bis zum 8. Oktober 2023

Reisebericht meiner Wolgogradreise vom 27. September bis zum 8. Oktober 2023

 

Nach 4 Jahren habe ich mich entschieden, wieder nach Wolgograd zu fahren; vorrangig wollte ich ich das Hilfsprojekt für ehemalige Zwangsarbeiter*innen in Wolgograd besuchen und dies besonders für die Stadt Köln dokumentieren. Außerdem war es mir wichtig, unsere Kontakte zu Wolgograder Bürger*innen zu halten und zu aktivieren.

Zweieinhalb Monate vorher buchte ich Flug und Hotel im bewährten Reisebüro Kaplan, mit dem wir immer unsere Reisen organisiert haben. Auf Empfehlung von einer Bekannten entschied ich mich für Flüge mit der aserbeidschanischen Fluglinie von Berlin über Baku nach Wolgograd, was insgesamt 790.-€ kostete. Auch das Touristenvisum erwarb ich bei Kaplan für 140.-€.

Ich hatte noch einige Gelder für das Hilfsprojekt und als Kurierdienst für Freunde mitzunehmen. Da  es wegen der Sanktionen nicht erlaubt ist, größere Beträge in Euro nach Russland zu importieren, musste ich vorher die Gelder in Dollar wechseln.

Nach der Zugreise nach Berlin und einer Übernachtung dort trat ich am Dienstag, den 26.9. im Berliner Flughafen die Flugreise an. Alles funktionierte reibungslos, in Bakus wunderschönem neuen Flughafen traf ich bei Hin- und Rückreise auf größere Gruppen weißgewandeter, muslimischer Pilgerreisender. Bei der russischen Passkontrolle war man mir gegenüber sehr freundlich, es wurde lediglich ein zusätzlicher Kollege herbeigerufen, der genauer fragte, wohin ich reise und wo ich leben werde. Um Mitternacht kam ich dann im schönen, zentral gelegenen Hotel Wolgograd an.

Am nächsten Tag wurde ich freudig von den 3 für uns wichtigsten Frauen begrüßt – von Elena vom Hilfsprojekt und den beiden Ljudmilas vom dortigen Köln-Vereinsvorstand. Wir besprachen mein Programm, dann wurde ich zum Essen eingeladen.

Am Tag darauf hatte mich das Komitee für Kinderrechte geladen. Dort treffen sich regelmäßig die Mitglieder des Rates der Wolgograder Vereinigung ehemaliger Zwangsarbeiter*innen. Dort wurde ich von der stellvertretenden Leiterin des Kinderrechtskomitees, Frau Jelena Jurjevna Tkatschova, und einigen Aktiven der Gruppe begrüßt, die gleichzeitig auch die Freiwilligen beim Hilfsprojekt sind. Ljudmila Sidorina überreichte mir dort für den Verein eine Ehrenurkunde für Edelmut und Menschlichkeit in der Unterstützung  der ehemaligen Zwangsarbeiter*innen. Diese Ehrenurkunde ist natürlich ein Zeichen der Dankbarkeit für alle, die dieses Projekt unterstützen.

Die nächsten 3 Tage besuchte ich hauptsächlich die Mitarbeiterinnen und Klient*innen vom Hilfsprojekt, was insgesamt für mich das Bewegendste von der Reise war. Dazu habe ich einen gesonderten Bericht verfasst.

Am Sonntag begleiteten mich Ljudmila Koshlakova und ihre Freundin zu einer kleinen und obligatorischen Schiffsfahrt auf der Wolga bei strahlendem Sonnenschein. Die Stadt hat sich sehr verändert: es ist viel gebaut worden, vieles wurde in Ordnung gebracht. Die neu gestalteten und befestigten Uferanlagen konnte man auf der Fahrt und beim Spaziergang danach sehen. Die Kathedrale im Zentrum auf dem Platz der gefallenen Kämpfer ist nun endgültig fertig erbaut und „arbeitet nun“ – ein neues Gebäude im alten Stil mit goldener Kuppel.

Am Montag fand das offiziellste Treffen statt: der ehemalige Oberbürgermeister Jurij Starovatych, der 1988 mit Norbert Burger die Städtepartnerschaft begründet hat, lud in die Friedensstiftung ein, dessen Vorsitzender er ist. Außerdem erschienen noch der Vorsitzende der Veteranen von Wolgograd und die Vorsitzende der Wolgograder Vereinigung der Überlebenden der Leningrader Blockade. Außerdem waren noch einige Personen vom Vorstand des Köln-Vereins erschienen.

Am Dienstag war ich Gast der Sportfrauen im Norden Wolgograds, wo Ljudmila Sidorina seit 30 Jahren ehrenamtlich Rentnerinnen 3 x die Woche trainiert. Unser Verein hatte vor Jahren verschiedene Sportgeräte spendiert, mit denen sie fleißig trainieren, und sie auch bei einer finanziellen Notlage unterstützt.

Während der Köln-Verein besonders nach der Pandemie ein großes Generationsproblem hat, findet hier ein reges Treiben statt. Mittlerweile übt eine Tochter einer Rentnerin mit ihnen Tänze ein, sie sind gesellschaftlich ziemlich anerkannt, treten bei allen möglichen Veranstaltungen auf, erhalten Vergünstigungen und haben für die Miete und besonders für die Heizkosten Sponsoren gefunden.

Dort wurde ich also empfangen: zuerst machten wir gemeinsam leichte gymnastische Übungen, dann führten sie verschiedene flotte Tänze auf, und danach setzte man sich an den reich gedeckten Tisch, zu dem jede etwas beigesteuert hat. Wie üblich gab es verschiedene Toaste, es wurde gesungen, wir freuten uns alle über das Wiedersehen.

Weil wir vorher noch etwas Zeit hatten, zeigte mir Ljudmila noch das Dorf  Orlowka in der Nähe, wo ein früheres Mitglied ihrer Sportgruppe lebt. Mascha zeigte mir mit großer Freude den riesigen Garten, in dem sie mit ihrer Tochter Obst und Gemüse anbaut und auch verkauft. Alles war in gutem Zustand, auch das gemütlich eingerichtete Haus.Wie schon öfter, wurde ich reichlich mit Obst, Kräutern, und Radieschen beschenkt.

Im Norden von Wolgograd besuchte ich außerdem einen Friedhof und war bewegt von dem am Eingang wogenden Meer der vielen Fahnen – auf den Gräbern der im gegenwärtigen Krieg gefallenen Soldaten.

Auf Empfehlung eines früheren Deutschkoordinators in Wolgograd nahm ich Kontakt zur Gorkij-Bibliothek auf. Dort traf ich die Leiterin der Abteilung für ausländische Literatur, die von dem Treffen sehr angetan war. In der Bibliothek findet ein Deutschkurs statt,und sie bot mir die Möglichkeit an, mich mit interessierten Teilnehmer*innen zu unterhalten. Die 6 Kursteilnehmenden sprachen teilweise schon gut Deutsch, und wir unterhielten uns 1,5 Stunden angeregt. Ich bot ihnen Brief- bzw. Skypekontakte mit Vereinsmitgliedern an, 2 haben bisher darauf positiv reagiert.

Es gab noch weitere Treffen mit Menschen, mit denen wir bereits Projekte durchgeführt hatten. Wir hofften jeweils auf bessere Zeiten, damit man an bereits Bewährtes anknüpfen kann.

Eine Begegnung mit einem Theaterregisseur möchte ich noch erwähnen – er sagte direkt, dass es wirklich schwierige Zeiten sind, im Freundes- und Familienkreis etliche junge Soldaten an der Front sind und man um sie zittert. Andere haben nur angemerkt, dass es eine harte Zeit ist, es aber nicht genauer ausgeführt.

 

Insgesamt kann ich nur sagen, dass die mir bekannten Menschen so herzlich und zugewandt mir gegenüber wie immer waren, sie sich sehr gefreut haben, dass ich gekommen bin. Einige formulierten , dass das ein Lichtblick in der dunklen Zeit ist.

Die allgemeine Stimmung habe ich als deutschfreundlich erlebt – sei es im Taxi, im Hotel oder im Handyladen, den ich aufsuchen musste.

Mit einigen verblieben wir so, dass ich sehr gerne im nächsten Herbst mit einer Gruppe, vielleicht einer kleineren, aber unbedingt kommen möchte.

 

Eva Aras

05.11.2023

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