Bericht zu: „Russlands Krieg gegen die Ukraine, Ursachen, Folgen, Perspektiven“

Am 05.03.2024 haben wir zu einer öffentlichen Veranstaltung in der Alten Feuerwache Köln zum Thema Russlands Krieg gegen die Ukraine, Ursachen, Folgen, Perspektiven“ eingeladen. Referent war unser Mitglied Brigadegeneral a.D. Reiner Schwalb; er war von 2011 – 2018 Militärattaché in Moskau und pflegt bis heute viele Kontakte nach Russland und zu Russen. Trotz des Streiks der Straßenbahner war die Veranstaltung gut besucht und hat zu einer lebhaften Diskussion nach dem Vortrag geführt.

Herr Schwalb hat beim Blick auf Ursachen und Entstehung des Krieges nicht nur die Handlungsabläufe, sondern vor allem die Sichtweisen der Beteiligten betont und um Verständnis für beide Seiten geworben. Nur so könne man zu einer besseren Zukunft kommen. Damit gemeint sind die Sicherheitsinteressen sowohl Russlands nach dem Ende der Sowjetunion als auch die historisch begründeten Ängste der russischen Nachbarn. Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, dass es sich 2022 um einen russischen Angriff und wegen der Landeroberung um eine in Europa seit dem 2. Weltkrieg einmalige Verletzung der Sicherheitsordnung handele.

Das Ziel des Kremls sei es, dass es in der Ukraine eine mindestens neutrale, wenn nicht moskaufreundliche Regierung gebe. Dieses anfängliche Kriegsziel habe der Kreml zwar bald zurückgestellt, weil er nicht mit der indirekt massiven Unterstützung Kiews durch den Westen gerechnet habe; aber die Gebietseroberungen im Osten und Süden seien nun für Moskau genauso wenig verhandlungsfähig wie umgekehrt für Kiew. Dabei werden beide Seiten sicher von der Mehrheit ihrer Bevölkerungen unterstützt oder zumindest nicht behindert, wobei Russland mit der aufgebauten Kriegswirtschaft wohl durchhaltefähiger sei. Der Westen unterstützt die Ukraine zwar deutlicher als Putin erwartet habe, vermeidet aber trotz manch undiplomatischer Äußerungen aus verantwortlichen Kreisen ebenso deutlich eine direkte Beteiligung, um die Eskalation in Grenzen zu halten. Gleichwohl müsse der Westen die Ukraine auch mit Waffen unterstützen, um eine Verhandlungsposition zu ermöglichen, denn ein „Sieg“ der einen oder anderen Seite wäre wohl keine Basis für einen Frieden.

Immer wieder betonte Herr Schwalb, dass wir uns nicht zuerst darüber klarwerden müssen, welche Mittel wir einsetzen, sondern welche Ziele wir verfolgen. Es komme darauf an, eine Sicherheitsordnung auf verschiedenen Ebenen wieder herzustellen, USA – Russland, Europa – Russland, Ukraine – Russland. Dafür wird es Mediatoren brauchen, die leider schwer zu finden sind. Wahrscheinlich werde die derzeitige Patt-Situation noch lange Bestand haben und eher zu neuen Demarkationslinien als endgültigen Grenzen führen, aber diese Situation sollte wenigstens bald ohne Kriegshandlungen möglich sein. Dazu braucht es Vertrauensbildung, die hoffentlich durch Geheimverhandlungen bereits stattfinde. Ziel des Westens müsse es sein, die Rüstungskontrolle, die von westlicher Seite gekündigt wurde (ABM Vertrag, Nichtratifizierung AKSE Vertrag) oder nach gegenseitigen Verletzungsvorwürfen zum Erliegen kam (INF Vertrag), durch neue Verträge und dann auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit wieder zu beleben. Nur mit auch persönlichen Vertrauensbeziehungen auf allen Ebenen sei das möglich.

In der Diskussion wurden zu fast allen angesprochenen Themen und Thesen die Meinungen ausgetauscht und auch trotz mach unterschiedlicher Bewertungen bestätigt, dass Vortrag und Diskussion als Gewinn empfunden wurden.