Eröffnung der Ausstellung „Stalingrad – Appell zum Frieden“ in der evangelischen Kartäuserkirche Köln am 28.06.2019, 15 Uhr
Anlässlich des 75. Jahrestages des Endes der Schlacht um Stalingrad hat Kölns Partnerstadt Wolgograd, das ehemalige Stalingrad, eine Ausstellung angefertigt. Sie erinnert in Bildern und Texten an die damaligen Ereignisse und wurde 2018 bereits in verschiedenen (Haupt)Städten Europas gezeigt. In Köln hat sich Pfarrer Mathias Bonhoeffer von der Kartäuserkirche bereit gefunden, die Ausstellung zum Abschluss der Dürener Deutsch-Russischen Städtepartnerkonferenz für eine Woche in „seiner“ Kirche der Öffentlichkeit eine Woche lang zu zeigen.
Zur Eröffnung kamen ungefähr 100 Besucher. Pfarrer Bonhoeffer und Frau Aras (Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Wolgograd) begrüßten die Gäste, darunter einige Gäste aus Wolgograd, unter ihnen Andrej Kosolapov, Vorsitzender des Wolgograder Stadtparlaments, und Jurij Starovatykh, ehemaliger Wolgograder Oberbürgermeister, der zusammen mit dem ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Burger vor 31 Jahren die Städtepartnerschaft Köln-Wolgograd ins Leben gerufen hat. Anwesend waren auch die Kölner Bürgermeisterin Frau Scho-Antwerpes, der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters, der stellvertretende Vorsitzende des Stadtrats von Coventry, Herr Abdul Kahn, und der ehemalige Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Wolgograd Werner Völker.
Frau Scho-Antwerpes erinnerte daran, dass die Stalingrad-Schlacht Sinnbild und Mahnmal für Furchtbares ist, das nicht mehr passieren darf. Die Städtepartnerschaften mit Leben zu füllen, ist eine Aufgabe, die dazu beiträgt, und die wir wahrnehmen.
Andrej Kosolapov aus Wolgograd sprach seinen tiefen Dank an alle aus, die das Zeigen der Ausstellung in Köln ermöglicht haben. Sie ist eine notwendige Erinnerung an die Bedrohungen, die vom Nationalsozialismus ausgehen, was auch heute noch oder wieder aktuell sei. Dabei seien doch die Deutschen die ersten Opfer des Nationalsozialismus gewesen! Der Zweite Weltkrieg habe aber auch viele positive Initiativen bewirkt, zum Beispiel die Gründung der UNO und die Idee der Städtepartnerschaften.
Die Ansprachen wurden begleitet von dem Musiktrio „Siresa“, Kölner Musikstudenten, die Stücke von Max Bruch und Ludwig van Beethoven spielten.
Frau Dr. Ekaterina Makhotina, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Bonn, hielt einen interessanten Vortrag darüber, wie unterschiedlich Stalingrad von den Russen und den Deutschen wahrgenommen wurde und zum Teil noch wird. In Russland ist dies der Beginn des Sieges der Roten Armee über Nazideutschland, und es wurde vor allem das Heldentum der Soldaten gefeiert. Aus der Literatur nennt sie Romane von Nekrasov und Grossmann, wobei letzterer unter Stalin noch verboten war, weil er nicht nur das Heldentum, sondern auch die schrecklichen Seiten des Krieges dargestellt und mit der Hoffnung auf eine Erneuerung auch des Sowjetstaates verbunden hat. Erst zur Gorbatschow-Zeit wurde sein Buch in Russland öffentlich zugänglich. In Deutschland wurde unter den Nazis die Niederlage ebenfalls in einen Heldenkult umgedeutet: der deutsche Soldat kämpft bis zuletzt. Nach dem Krieg wurden die deutschen Soldaten als sinnlose Opfer der Nazidiktatur dargestellt, die breite Blutspur, die sie in Russland hinterlassen haben, aber fast völlig ausgeblendet. Mit der von Jan-Philipp Reemtsa organisierten Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht begann nach 1989 eine andere, aber auch weiter umstrittene Wahrnehmung. Inzwischen bemühen sich beide Seiten, Deutschland und Russland, um eine gemeinsame Sicht mit dem gemeinsamen Willen: Nie wieder Krieg.
Nach einer weiteren musikalischen Einlage gab es eine Podiumsdiskussion und Gelegenheit für die Besucher, sich am Gespräch zu beteiligen.
Der russische Initiator der Städtepartnerschaft Jurij Starovatykh, erinnerte sehr persönlich daran, dass es auch in Stalingrad selbst Erlebnisse der Menschlichkeit gegeben habe, zum Beispiel durch einen deutschen Arzt, und dass seine Frage, die er als Kind bei der Flucht aus Stalingrad seiner Mutter gestellt habe, „Warum wollen die uns töten?“ bis heute nicht beantwortet ist.
Jürgen Roters, ehemaliger Kölner Oberbürgermeister, engagiert sich selbst im Deutsch-Russischen Forum und hat mehrmals Russland besucht. Er war immer wieder überrascht und bewegt, mit welcher Freundschaft und Herzlichkeit die Russen ihm und den Deutschen begegnen.
Andrej Kosolapov erinnerte beim Podiumsgespräch erneut an die Gefahr des Neofaschismus, der in verschiedenen Ländern Europas zur Zeit wieder erstarke.
Aus dem Publikum meldeten sich mehrere Bürger zu Wort. Ein ehemaliger ARD-Korrespondent zeigte sich beeindruckt davon, wie auch die deutschen Kriegsgräber in Russland gepflegt werden.
Mehrere engagierte Stellungnahmen erinnerten daran, dass Russland vom Westen inzwischen wieder als Feind gesehen und bedroht werde, obwohl nach dem Ende des Kalten Krieges eine andere Entwicklung möglich und richtig gewesen wäre. Der großen Opfer, die das russische Volk für den Sieg über Nazideutschland gebracht hat, werde hier leider kaum gedacht. Statt dessen werde wieder aufgerüstet und eine Friedensbewegung sei so leise wie schon lange nicht mehr, obwohl sie allen Grund hätte, laut zu werden. Die Anwesenden zeigten sich in ihren Stellungnahmen und Reaktionen sehr einig in der Ablehnung der heutigen militärischen Aktivitäten des Westens, die sie vor allem auch als Einkreisung Russlands verstehen.
Im Anschluss gab es Gelegenheit, die Ausstellung zu besichtigen und im Kirchhof bei herrlichem Sonnenschein, bei Brezeln und Getränken, weiter ins Gespräch miteinander zu kommen.
Dr. Christian Fischer, ein Freund unseres Vereins und Besucher der Veranstaltung
Stalingrad als Erinnerungsort in Russland und in Deutschland
Dr. Ekaterina Makhotina
Vortrag im Rahmen der Ausstellungseröffnung Stalingrad 1942/43 – Appell zum Frieden, Köln, 28. Juni 2019. ( Link zum Vortrag )
Hier Impressionen von der Ausstellungseröffnung im Video: