„Dialog an der Wolga“ – ein Bericht

Forum Volksdiplomatiekonferenz Wolgograd 2015
v.l.n.r: Mirko Runkel, Andrey Kosolapov, Wolfgang Gehrcke, Igor Chernov , Gerhard Militzer

Zum dritten Mal fand in Wolgograd das internationale Volksdiplomatie-Forum statt, diesmal unter dem Titel „Frieden und Verständigung im 21. Jahrhundert“. Am 31.10./01.11.2016 trafen sich auf Einladung der Stadt und des Gebiets Wolgograd über 200 Gäste aus 12 Ländern. Dabei kamen ca. 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Partnerstädten der Wolga-Metropole. Für den Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd nahm das Vorstandsmitglied Gerhard Militzer am Forum teil.

Der erste Veranstaltungstag begann mit einer Kranzniederlegung am „Platz der gefallenen Helden“ im Zentrum der Stadt. Hier wie auf dem Mamajew-Hügel gedenkt die Stadt der hunderttausenden Opfer, die der Krieg der Deutschen gegen und in Wolgograd (Stalingrad) unter Einwohnern und sowjetischen Soldaten forderte.
Das Forum begann mit Grußworten, die Gastgeber und Gäste auch zu politischen Statements nutzten. Matthias Platzeck (SPD), ehemaliger Ministerpräsident des Landes Brandenburg und Vorsitzender des deutsch-russischen Forums, übermittelte zunächst die „herzlichsten Grüße des deutschen Außenministers Steinmeier“, der nach seinem Besuch in Wolgograd 2015 von der Gastfreundschaft der Stadt und ihrer Bürger „förmlich überwältigt“ worden sei. Platzeck machte deutlich, wie schwer die deutsch-russischen bzw. EU-russischen Beziehungen beeinträchtigt seien, ohne dass eine reale Aussicht auf Besserung bestehe. Als Voraussetzungen für eine Wiederannäherung nannte er, ausdrücklich auch in Bezug auf Deutschland, die „eigene Fehlerreflektion“.

Der Gouverneur des Gebietes Wolgograd Andrey Bocharov zeigte sich in seinem Grußwort ebenfalls enttäuscht über die entstandenen politischen Spannungen und rief dazu auf, zu den anerkannten internationalen Regeln zurückzukehren. Russland werde keine Aggressionen tolerieren. Er verwies auf eine Initiative des Wolgograder-Veteranenverbands, eine Städtepartnerschaft zwischen Wolgograd und Aleppo in Syrien zu begründen, um den von dschihadistischen Terroristen geschundenen Einwohnern Solidarität zu zeigen.

In der anschließenden Diskussionsrunde unter dem Titel „Die Welt heute: Erwartungen und Enttäuschungen“ brachte der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der LINKEN Wolfgang Gehrcke unmissverständlich seine Enttäuschung über die Entwicklung zum Ausdruck. Er habe sich nie vorstellen können, dass nach dem Ende des Kalten Kriegs seine Kinder und Enkelkinder in einer Welt der politischen Instabilität und Bedrohung des Friedens leben müssten. Gehrcke rief zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und zur Rückkehr zum wechselseitigen Dialog auf.

In der am folgenden Tag stattfindenden Arbeitsrunde unter dem Titel „Globale und regionale Sicherheit: Herausforderungen und Perspektiven“ äußerte der Oberbürgermeister der englischen Stadt Coventry Lindsley Harvard die Auffassung, dass es aus seiner Sicht vier Bedrohungen der Sicherheit gebe: die Wiederkehr des Kalten Krieges, der internationale Terrorismus, der Klimawandel und die größer werdende Kluft zwischen Armen und Reichen. Ich selbst warf in dieser Arbeitsrunde die Frage auf, ob nach der völkerrechtswidrigen Zerstörung des Iraks 2003 und Libyens 2011 das Eingreifen der Russischen Föderation auf Seiten der syrischen Regierung langfristig die Chance einer Stabilisierung Syriens oder das Risiko einer Eskalation berge – eine Frage, die keiner der Referenten beantworten konnte oder wollte.

Insgesamt bot das dritte internationale Volksdiplomatie-Forum eine gute Gelegenheit zum wechselseitigen Austausch und zu interessanten Gesprächen auch jenseits des offiziellen Programms.

Abseits des Forums hatte ich als Vorstandsmitglied des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Wolgograd den Auftrag, eine Geldspende für ehemalige Zwangsarbeiterinnen zu übergeben, den ich gerne erfüllt habe. Der Städtepartnerschaftsverein unterstützt schon seit vielen Jahren erfolgreich ehemalige Zwangsarbeiterinnen mit erheblichen finanziellen Mitteln, mehr dazu hier.

 
Auf dem Foto v.l.n.r: Mirko Runkel (zweiter Bürgermeister von Chemnitz), Andrey Kosolapov (Oberbürgermeister von Wolgograd), Wolfgang Gehrcke, Igor Chernov (Direktor des Informationszentrums für Internationale Sicherheit) und Gerhard Militzer