Reisebericht über unsere Russlandreise vom 10. – 23. September 2025
Seit Beginn des Jahres waren wir mit den Reiseplanungen beschäftigt, auch wenn es die vom Auswärtigen Amt festgelegten Reise- und Sicherheitshinweise gibt, in denen „von Reisen in die Russische Föderation dringend abgeraten wird“.
Zuerst gab es ca. 15 Interessenten, dann hatten wir wegen der schwierigen politischen Situation die Anmeldung auf Mitte Mai verschoben. Letztendlich entschieden sich 6 Personen für die Reise, darunter Heike Hupe und Eva Aras vom Vorstand.
Wir buchten hier in Deutschland direkt alle Flüge, die Zugfahrt, die Hotels und die Transfers, um nicht viel Geld nach Russland mitnehmen zu müssen. Das Programm haben wir bei mehreren Vortreffen der Reisegruppe miteinander abgestimmt. In Moskau haben wir einen Moskauer Historiker, als Reiseführer in Anspruch genommen, gemeinsam mit der Vorsitzenden des Köln-Vereins in Wolgograd haben wir das Programm in Wolgograd geplant.
Wir traten am 10. September die Reise an – Flug von Düsseldorf über Istanbul nach Moskau mit Turkish Airlines. Alles hat gut geklappt, allerdings dauerte in Moskau/Vnukovo die Passkontrolle über eine Stunde, so dass unser bestellter Taxifahrer sehr lange warten musste.
Wir waren in einem gutem Business-Hotel in der Nähe des Pawelezkij-Bahnhofs untergebracht, 3 Minuten von der Moskwa entfernt. Nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet ging es am nächsten Tag zu den zwei wichtigsten Aktionen: Geld wechseln und Metroticktes für 3 Tage kaufen. Dann trafen wir unseren Freund, den Reiseführer und unternahmen unsere erste gemeinsame Metrofahrt ins Stadtzentrum. Das Wetter war großartig – alle Tage hatten wir strahlenden Sonnenschein in Moskau und in Wolgograd.

In Moskau auf dem Roten Platz
Wir spazierten über den Roten Platz, man freute sich, diesen berühmten Ort endlich wirklich sehen zu können einschließlich Kreml, dem Lenin-Mausoleum, dem Historischen Museum, der Basilius-Kathedrale und dem Kaufhaus GUM. Zum Mittagessen kehrten wir ins GUM in eine Kantine im sowjetischen Stil mit vielen köstlichen russischen Speisen zur Auswahl ein.
Im Anschluss daran unternahmen wir eine Bootsfahrt auf der Moskwa. Bei dieser zweistündigen Fahrt wurden wir auf viele monumentale Gebäude der Stadt aufmerksam gemacht und hatten Gelegenheit viele Nachfragen zu stellen.
Am nächsten Tag trafen wir uns in der Tretjakow-Galerie. In diesem riesigen Museum erschienen uns besonders die Maler der „Peredwischniki“ sehr sehenswert, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts sich dem Realismus verpflichtet fühlten und besonders das vielschichtige Alltagsleben der einfachen Leute abbildeten. Danach besichtigten wir einige der großartigen ersten Metrostationen, die „Paläste des Volkes“. Im Anschluss daran besuchten wir das Neujungfrauen-Kloster. Zuerst schauten wir uns den berühmten Friedhof an, wo wir das Grab von Gorbatschow und seiner Frau besuchten. Danach gingen wir in die sehr schön restaurierte Klosteranlage und trafen in der Kathedrale zufällig auf eine Trauerfeier einer verstorbenen Nonne. Es war sehr beeindruckend – besonders da der Sarg geöffnet war.
Nach dem Besuch der Neuen Tretjakow-Galerie am nächsten Tag ist es uns gelungen, eine Aufführung in der neuen Bühne des Bolschoj-Theaters zu sehen. Es wurde die Tschaikovskij-Oper „Jolanthe“ gezeigt, unter musikalischer Leitung von Valery Gergiev. Das war für uns alle ein großer Kunstgenuss – tolle Sänger*innen, ein wirklich traumhaftes Bühnenbild, schöne Kostüme, wunderbare Musik.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Zug in knapp 18 Stunden über Nacht nach Wolgograd. Wir waren zu dritt in 2 Abteilen und näherten uns auf diese Art langsam Wolgograd. Man ahnte die Weite der russischen Landschaft, wenn man aus dem Fenster rausschaute. Besonders den gemütlichen Speisewagen hatte Eva von ihrer Reise vor 9 Jahren in Erinnerung; damals bereitete man die Speisen dort noch extra zu, heute ist es leider nicht mehr so.
Auf die Minute genau kamen wir morgens um 7.40 Uhr in Wolgograd an und gingen direkt ins Hotel Intourist, 10 Minuten entfernt. Es ist neu restauriert und wie so viele Gebäude in Wolgograd im sozialistischen Klassizismus erbaut.

Empfang im Friedensfond
Um 16.00 Uhr waren wir zum Empfang in den Friedensfond eingeladen. Alle Freundinnen, Freunde und Bekannten trafen wir dort – es war eine große Freude! Wir begrüßten uns alle herzlich und setzten uns an den reichlich gedeckten Tisch. Dann begannen die Begrüßungsreden und Toasts, die Jurij Starovatych besonders blumenreich halten kann. Es war eine ausgelassene Stimmung. Unsere Sportfrau ließ es sich nicht nehmen, mit uns einige Gymnastikübungen zu machen. Erste Geschenke wurden ausgetauscht. Und zum Schluss trug eine Frau ein sehr schönes Lied von Bulat Okudschawa vor. Ein Gruppenfoto bildete dann den Abschluss.

Am Mamajev-Hügel
Am nächsten Tag fand eine kleine Stadtführung statt,
Ein Wolgograder Germanistikstudent war unser Stadtführer. Vom Hotel gingen wir los, er zeigte uns die noch erhaltene Synagoge, die jetzt ein Therapiezentrum ist, das Planetarium und vorbei an der Gorki-Bibliothek gingen wir zum Leninplatz; von dort fuhren wir mit der Straßenbahn bis zum Mamajev-Hügel. Das 1967 eingeweihte Denkmal ist das größte und beeindruckendste Mahnmal an den Zweiten Weltkrieg, nicht nur auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Hier tobten 1942/43 die heftigsten Kämpfe, an den Hängen des Hügels wurden zehntausende sowjetische und deutsche Soldaten getötet. 200 Stufen zählt die Treppe, über die man bis auf den Gipfel zur „Mutter Heimat“ gelangt; die Statue ist mit ihren 82 Metern höher als beispielsweise die Freiheitsstatue in New York. Auf dem Weg dorthin befindet sich die Ruhmeshalle; Soldaten halten dort zu Schumanns „Träumerei“ vor dem Ewigen Feuer Mahnwache. Dort legten wir wie viele andere Blumen nieder.
Nach so viel Anstrengung schafften wir den geplanten Besuch des Panoramamuseums nicht mehr, sondern fuhren zurück ins Hotel, gingen in dem allseits beliebten Café „Konfetki-baranotschki“ essen und erholten uns.

Granitwürfel mit den Namen der vermissten deutschen Soldaten Rossoschka
Am Mittwoch wurden wir mit einem Bus für die Fahrt nach Rossoschka abgeholt.
Der Soldatenfriedhof liegt etwa 37 km vom Stadtzentrum entfernt mitten in der Steppe. Deutsche und russische Soldaten ruhen hier nur durch eine Landstraße voneinander getrennt; eingeweiht wurde der Friedhof 1999.
Mit Unterstützung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurde ein halbkreisförmiger Friedhof für 20.000 sowjetische Gefallene angelegt. Tausende Tote ruhen in einem Massengrab.
Auf der anderen Straßenseite haben in dem kreisförmigen Friedhof mit einem Durchmesser von 150 Metern über 60.000 geborgene deutsche Gefallene ihre letzte Ruhestätte. Darüber hinaus gibt es über 126 große Granitwürfel mit jeweils 900 Namen von vermissten deutschen Soldaten.

Aufruf zum Frieden
Wir legten an beiden Friedhöfen Blumen mit unseren Vereinsschleifen nieder mit der Beschriftung: Verantwortung tragen – Frieden schaffen!
Am Nachmittag lud uns ein Bekannter, der Theaterregisseur am Jugendtheater ist, zu einer Besichtigung des Theaters ein. Es hat 82 Plätze und wird von der Stadt komplett finanziert. Interessant war zu hören, dass es für alle russischen Schüler eine Puschkinkarte gibt, mit der sie kostenlos eine bestimmte Anzahl von Kulturveranstaltungen besuchen können. Ich konnte abends dort die Aufführung von Tschechows „Möwe“ besuchen, ein sehr gut besuchter Abend mit vorzüglichen Schauspielern. Wir hoffen, in der Zukunft mit ihnen ein Projekt durchführen zu können; geplant war es bereits vor der Pandemie.
Am Donnerstag wurden wir abgeholt und man begleitete uns ins Caritas-Zentrum, das der katholischen Kirche St. Nikolaus angegliedert ist. Zuerst wurden wir von der Leiterin des Zentrums und von dem Pfarrer in der Kirche begrüßt. Beide waren sehr freundlich und erfreut über unser Interesse an ihrer Arbeit. Ausführlich beschrieben sie ihre Aufgabenbereiche. In der sehr schön neu sanierten Kirche finden oft Konzerte statt. Dann wurden wir in die Räume der Caritas geführt, die sich momentan im Umbau befinden. Dort trafen wir noch sehr nette engagierte Mitarbeiterinnen, die genauer ihre Arbeit beschrieben. Besonders gingen sie auf ihre Projekte mit Obdachlosen, einen ambulanten Pflegedienst und auf die Ganztagsbetreuung von Kindern aus schwierigen Familienverhältnissen ein. Sofort entstand ein reger Kontakt zwischen allen Gesprächsteilnehmerinnen, den wir bei Tee und Gebäck fortführten.
Den Nachmittag verbrachten wir jeweils zu zweit in einer russischen Familie mit üppiger Bewirtung und anregenden Gesprächen.
Am Freitag Morgen fuhren wir mit dem Taxi in südliche Richtung nach Zarepta. Dort gründeten 1765 Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeinde auf Einladung Katharina II. eine deutsche Niederlassung. Die Bewohner widmeten sich vor allem dem Handel, dem Handwerk und auch der Produktion. Das bekannteste Produkt aus Zarepta war der Senf und noch heute produziert dort eine Fabrik Senf und Senföl. Heute ist Zarepta ein Freilichtmuseum. Die restaurierte Kirche wird von der deutschen Gemeinde genutzt; die Orgel wurde 1996 nach 60 Jahren des Schweigens restauriert. Zurück fuhren wir mit der „Elektrischka“, einer S-Bahn.
Am Abend besuchten wir die am Wolgaufer gelegene Philharmonie. Zur Eröffnung der Saison gab es ein Orgelkonzert einer japanischen Musikerin. Es war ein sehr schöner Abend, den wir mit drei russischen Begleiter*innen erlebten. Wir beendeten ihn im Restaurant Samovar.
An unserem letzten Tag in Wolgograd trafen wir uns zuerst mit der Geschäftsführerin des Hilfsprojekts für ehemalige Zwangsarbeiter*innen in einem Café. Sie berichtete über den aktuellen Stand des Hilfsprojekts und beantwortete bereitwillig alle Fragen. Endlich konnte ich ihr das für dieses Jahr noch benötigte Geld übergeben, das ich in Dollar mitgebracht hatte.
Dann wurden wir abgeholt, um gemeinsam zur Gorki-Bibliothek zu gehen. Dort wartete der Deutsch-Sprachclub auf uns, mit dem Heike und Christian vom Vorstand bereits seit 2 Jahren in lockerem Zoom-Kontakt sind. Wir wurden freundlich begrüßt, und man hatte einige nette Sprachspiele für alle vorbereitet. Dann wurden wir noch aufmerksam bewirtet mit Tee, Apfeltaschen und anderen Süßigkeiten. Für die Leiterin der Abteilung für ausländische Literatur hatten wir ein belletristisches aktuelles deutsches Buch mitgebracht, über das sie sich sehr gefreut hat.
Danach ging es sofort in das verabredete Restaurant zu unserer Abschiedsfeier.

Abschiedsfeier
Wir hatten 12 Personen eingeladen. Wir setzten uns an den festlich gedeckten Tisch, und es folgten zügig die Dankesreden. Neben dem leckeren Essen unterhielten wir uns alle sehr angeregt, gegenseitig sangen wir uns ein Lied vor – wir hatten das „Bürgerlied“ extra eingeübt – und alle waren rundum sehr angetan von der nun leider letzten Begegnung; letzte Geschenke wurden überreicht. Man sagte uns, unser Besuch sei ein Lichtblick in diesen schweren Zeiten.
Ausführlich verabschiedeten wir uns voneinander und hofften auf ein baldiges Wiedersehen…. Wer weiß?
Am Sonntag flogen wir zurück nach Moskau. Das Rezeptionspersonal in Wolgograd sprang sogar vor die Tür und winkte uns zum Abschied. Der Taxifahrer zum Flughafen „Stalingrad“ – das ist sein neuer Name – berichtete von den letzten Drohnenattacken, die offensichtlich Gebäude zerstörten, aber Genaueres erfährt die Bevölkerung nicht; für ihn war das Krieg. Allgemein waren die Taxifahrer immer sehr offen und auskunftsfreudig.
Den Abend verbrachten wir gemeinsam in dem uns bereits vertrauten Hotel Nähe Paweletzki-Bahnhof.
Den letzten Vormittag hatten wir noch Zeit und bummelten durch das Viertel Samoskworetschje mit noch schönen alten Kaufmannshäusern. Zufällig trafen wir dort ein russisch-deutsches Ehepaar, mit dem wir dann gemeinsam ein Café besuchten. Sie planen nun nach 20 Jahren Ehe in der Nähe von Moskau ein Haus zu bauen, da sie es in Deutschland zunehmend ungemütlich finden. Wir tauschten unsere Kontaktdaten aus und verabschiedeten uns herzlich.
Der Taxifahrer zum Flughafen Vnukovo erwies sich ebenfalls als sehr redselig. Er schwärmte für den Moskauer Bürgermeister Sobjanin, man müsse ihm ein großes Denkmal setzen, da er so viel für die Stadt tue: er verwies auf die modernisierten Straßen und die üppigen Seitenbepflanzungen mit verschiedensten großen Bäumen.
Die Rückflüge klappten im Prinzip alle, außer dass wir in Moskau eine Stunde später abflogen: Später hörten wir, dass es wieder Drohnenattacken gegeben habe.
Die Zollbeamten waren ungewöhnlich freundlich: nachdem sie hörten, dass wir eine deutsche Touristengruppe seien, wünschten sie uns eine gute Reise – das hatte ich vorher noch nie gehört.
Allgemein müssen wir sagen, dass wir eine ganz ungewöhnlich große Freundlichkeit erlebt haben, wenn auch Fremde z.B. in der Metro hörten, wir seien aus Deutschland: man sprach uns an und berichtete von eigenen positiven Begegnungen mit Deutschen. Man freute sich, dass wir in diesen widrigen Zeiten nach Russland kommen.
Es war für uns alle eine ganz besondere und denkwürdige Reise – vor allem auch durch die Freundlichkeit, die uns viele Russen entgegenbrachten.
Eva Aras und Heike Hupe
6.10.2025

